Klein-Davy (Comic): Unterschied zwischen den Versionen

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Davy kann sich in Einvernehmlichkeit vom Mädchen verabschieden und geht seiner Berufung nach: Er hilft drei jungen Vögeln, deren Nest durch den Wind vom Ast geschubst worden ist. Zudem will er nach der Mutter der drei Vögel suchen, aber die ist schnell gefunden – und nicht sonderlich erfreut, denn sie versteht nicht, dass Davy und Jiminy ihren Kindern helfen und nicht schaden wollten. Gemeinsam ziehen die zwei weiter die Straße entlang und stoßen dabei etwas abseits vom Weg auf Fußspuren, die nach einer gefährlichen Kreatur aussehen. Davy, der sich von Jiminy getrennt hat, verfolgt die Spur, bis er vor einem Schulinspektor steht. Die Fußabdrücke sind vom Schulinspektor, der Davy direkt mit einer Frage löchert: Warum ist der Junge nicht in der Schule? Der Schulinspektor greift Davy am Kragen und will ihn in die nächstgelegene Schule bringen. Doch Davy, der ein gerissener Bursche ist, gelingt es mit einem Indianertrick, den er bei den Chickasaws gelernt hat, den Schulinspektor zu überlisten und außer Gefecht zu setzen. Bis sich der Inspektor berappelt hat, hat Davy einen Vorsprung gewonnen, der es ihm ermöglicht, sich ein Versteckt auszusuchen. Der Schulinspektor steht zunächst tatsächlich ratlos da, kommt kurz darauf allerdings mit einem Spürhund wieder. Davy glaubt schon, dass er entdeckt würde, aber der Hund zwinkert zu ihm – na klar, ein Tier verrät ihn doch nicht! Im Gegensatz zum Tier ist es am Ende ein Nießen, das Davy verrät. Der Schulinspektor greift sich den widerstrebenden Jungen und nimmt ihn mit. Jiminy begrüßt die finale Entscheidung, setzt sich an einen Baum und spielt mit seiner Geige. Einige Wochen später sprechen Micky und Jiminy darüber, dass es angenehm ruhig geworden ist, seit Davy die Schule besucht, und sie endlich einige wichtige Dinge erledigen können. Im Endeffekt aber stehen Micky und Jiminy schließlich vor einer Baustelle – getrennt durch eine weitere Person, sodass sie sich nicht sehen können – und fragen sich, was der jeweils andere vorhat.
Davy kann sich in Einvernehmlichkeit vom Mädchen verabschieden und geht seiner Berufung nach: Er hilft drei jungen Vögeln, deren Nest durch den Wind vom Ast geschubst worden ist. Zudem will er nach der Mutter der drei Vögel suchen, aber die ist schnell gefunden – und nicht sonderlich erfreut, denn sie versteht nicht, dass Davy und Jiminy ihren Kindern helfen und nicht schaden wollten. Gemeinsam ziehen die zwei weiter die Straße entlang und stoßen dabei etwas abseits vom Weg auf Fußspuren, die nach einer gefährlichen Kreatur aussehen. Davy, der sich von Jiminy getrennt hat, verfolgt die Spur, bis er vor einem Schulinspektor steht. Die Fußabdrücke sind vom Schulinspektor, der Davy direkt mit einer Frage löchert: Warum ist der Junge nicht in der Schule? Der Schulinspektor greift Davy am Kragen und will ihn in die nächstgelegene Schule bringen. Doch Davy, der ein gerissener Bursche ist, gelingt es mit einem Indianertrick, den er bei den Chickasaws gelernt hat, den Schulinspektor zu überlisten und außer Gefecht zu setzen. Bis sich der Inspektor berappelt hat, hat Davy einen Vorsprung gewonnen, der es ihm ermöglicht, sich ein Versteckt auszusuchen. Der Schulinspektor steht zunächst tatsächlich ratlos da, kommt kurz darauf allerdings mit einem Spürhund wieder. Davy glaubt schon, dass er entdeckt würde, aber der Hund zwinkert zu ihm – na klar, ein Tier verrät ihn doch nicht! Im Gegensatz zum Tier ist es am Ende ein Nießen, das Davy verrät. Der Schulinspektor greift sich den widerstrebenden Jungen und nimmt ihn mit. Jiminy begrüßt die finale Entscheidung, setzt sich an einen Baum und spielt mit seiner Geige. Einige Wochen später sprechen Micky und Jiminy darüber, dass es angenehm ruhig geworden ist, seit Davy die Schule besucht, und sie endlich einige wichtige Dinge erledigen können. Im Endeffekt aber stehen Micky und Jiminy schließlich vor einer Baustelle – getrennt durch eine weitere Person, sodass sie sich nicht sehen können – und fragen sich, was der jeweils andere vorhat.


== Hintergrund und Bedeutung ==
== Hintergrund ==
Bill Walsh schlug Disney vor, für die [[Frontierland]]-Folgen der Sendung Disneyland die Geschichten des Volkshelden Davy Crockett neu zu erzählen. Disney war eher skeptisch, willigte dann aber dennoch ein. Später wurde Disney sogar ein enthusiastischer Fürsprecher. Es entstanden drei Episoden für [[Disneyland (Show)|Disneyland]] und erhielten starken Zuspruch des Publikums. [[ABC]] war völlig überrascht von dem kommerziellen Erfolg, die ''Crockett craze'' hat begonnen. Diese Davy-Crockett-Werbekampagne war erfolgreich und so waren Merchandise-Artikel schnell vergriffen. Sie zählt zu den erfolgreichsten Kampagnen der amerikanischen Geschichte und beeinflusste Werbestrategien drastisch. Das Fernsehen löste in dieser Zeit das Kino und auch Comics als Unterhaltungsmedium ab. Daher war es laut Jim Fanning naheliegend, eine Davy-Crockett-Figur in den Zeitungsstrips auftreten zu lassen.  
=== Film- und Fernsehproduktionen ===
[[Bill Walsh]], der seit 1943 bei den [[TWDC|Disney-Studios arbeitete]], schrieb nicht nur von 1943 bis 1962 den Micky-Maus-Comicstrip, sondern betätigte sich auch als [[Drehbuchautor]] und Produzent. In den 1950er Jahren begann Walsh damit, seine Arbeit im Film- und Fernsehbereich zu intensivieren, und schrieb mehrere Fernsehsendungen. Der ehemalige PR-Agent wurde von [[Walt Disney]] zunächst noch gebeten, zwei Weihnachtsspecials zu produzieren, die im Prinzip lange Werbefilme für Disneys neuesten Zeichentrickfilm [[Alice im Wunderland (1951)|Alice im Wunderland]] (1951) und allgemein für das Unternehmen waren. Die dabei entstandenen Fernsehshows ''[[One Hour in Wonderland]]'' (1950) und ''[[The Walt Disney Christmas Show]]'' (1951) begeisterten Walsh so sehr für das Thema Film, dass er weitere Produktionen in Anspruch nahm.<ref name="FGLANDRAE>[[Thomas Andrae]]: Von Mäusen und Menschen. [[Floyd Gottfredson Library 12]], Egmont Ehapa Media, Berlin 2022, S. 11–12;</ref>


Die Eigenschaften der Charaktere der Serie wurden auch für Klein-Davy in der letzten Fortsetzungsgeschichte von Gottfredson verwendet. Walsh erklärte nie, ob es sich um ein von Crockett besessenes Kind handelt, eine Reinkarnation oder um einen Zeitreisenden aus dem 19. Jahrhundert. Die Geschichte ist eine Satire auf die Eigenarten der modernen Zivilisation, da der kleine Protagonist seine Lebensweise den anderen Charakteren aufzwingen will. Davy ist ein kleiner typischer Hinterwäldler, der eine primitive Lebensweise pflegt, aber dennoch über die moderne materialistische Zivilisation triumphiert. [[Walt Disney]] selbst befürwortet persönlich die Aufnahme von Klein-Davy in die Comicstrips. 1955 posierte er sogar mit einem Pappaufsteller des Charakters im Disneyland-Vergnügungsparks. Klein-Davy soll laut Andrae von Beginn an gänzlich durchkommerzialisiert sein, um bei Kindern für die Fernsehserie und Begleitmaterial zu werben.  
Da die zwei Werbefilme ein durchschlagender Erfolg waren, betraute Disney Walsh als Produzenten für die wöchentliche Fernsehsendung ''[[Disneyland (Show)|Disneyland]]'', die ab 1954 erschien. In dieser Sendung, die von 19:30 Uhr bis 20:30 Uhr im amerikanischen Fernsehsender [[ABC]] ausgestrahlt wurde, konnten nicht nur die neuesten Filme beworben werden, sondern auch der [[Disneyland Resort#Entstehung|neu entstandene Freizeitpark]] im kalifornischen Anaheim, der 1955 eröffnet wurde und in den Walt Disney zeitlebens viel Aufwand steckte. Gleichzeitig wurde Walsh – der schon Schwierigkeiten damit hatte, genug Material für ''Disneyland'' aufzutreiben – auch noch damit beauftragt, die [[Fernsehsendung|Fernsehreihe]] ''[[The Mickey Mouse Club]]'' (1955–1959) zu verantworten. Insgesamt brachte Walsh Mitte und Ende der 1950er Jahre also einen guten Teil seiner Zeit damit zu, Fernsehskripte zu schreiben bzw. Ideen für Fernsehsendungen zu sammeln und als Produzent den Überblick zu behalten. Der Micky-Maus-Comicstrip, den er währenddessen immer noch schrieb, geriet also in den Hintergrund.<ref name="FGLANDRAE></ref>


Jiminy Grille wird als das Gewissen des kleinen Jungen eingeführt, da sein jugendlicher Übermut so ausgeprägt ist. Jiminy sollte eine werbewirksame Ergänzung sein, verdrängte jedoch sogar Micky aus der Geschichte.
Zur besseren Unterscheidung der genannten Begriffe beziehungsweise Titel ist unten eine Grafik abgebildet, die veranschaulicht, welchen Aktivitäten Bill Walsh in den 1950er Jahren nachgegangen ist. Insgesamt beschäftigte er sich bis zur Entstehung von ''Klein-Davy'' mit drei Fernsehsendungen.
<br><br>
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Datei:Klein-Davy-Walsh-Tätigkeiten.png|Eine Zusammenstellung der Themengebiete, in denen [[Bill Walsh]] bei Disney<br>tätig war und was er dort im Einzelnen verantwortete:
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</center>


Während der Produktion dieser Geschichte erteilte King Features die Anweisung auf abgeschlossene Gags umzustellen, daher erhielt die Geschichte auch kein rundes Ende.<ref> Fanning, J. (2022). Davy … Klein-Davy … Ein Freund bis zum bitteren Ende. In F. Gottfredson, Floyd Gottfredson Library ([[Arne Voigtmann|A. Voigtmann]], Übers., Bd. 12, S. 224). Berlin: Egmont Verlagsgesellschaften mbH.</ref> Andrae zitiert Gottfredson, der von den einschneidenden Erlebnissen berichtet. So war King Syndicate der Meinung, dass Fernsehen besser für Fortsetzungsgeschichten sei und bat die Cartoonisten nur noch abgeschlossene Gagstrips zu erzeugen. Gottfredson selbst wäre lieber zu einer Kontinuität zurückgekehrt und hatte das Gefühl, dass Micky-Strips in der Folge an Popularität einbüßten.<ref> Andrae, T. (2023). Von Mäusen und Menschen – 1953–1955: Der letzte Vorhang. In F. Gottfredson, Floyd Gottfredson Library (A. Voigtmann, Übers., Bd. 12, S. 11-12). Berlin: Egmont Verlagsgesellschaften mbH.</ref>
=== Comicadaption ===
Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass Bill Walsh bei ''Klein-Davy'', der hier vorliegenden Fortsetzungsgeschichte, auf Ideen zurückgriff, die er gerade in ähnlicher Form woanders verarbeitete – aus Zeitnot. „Frontierland“, eines der vier Segmente, die zusammen die erste Episode der ''Disneyland''-Show bildeten, schien perfekt geeignet für eine [[Comic]]-Adaption. Walsh wollte nicht länger ausschließlich Trickfilme produzieren, sondern sich an Realfilme heranwagen. Er entschied sich, Disney zu fragen, ob er für ''Disneyland'' die Geschichte des Volkshelden [https://de.wikipedia.org/wiki/Davy_Crockett Davy Crockett] neu erzählen könne, doch dieser reagierte zunächst zurückweisend, mit der Begründung, dass das Thema schon zu abgebrüht sei. Daraufhin begann Walsh, der nicht sofort aufgeben wollte, mit der Zusammenstellung einiger Storyboard-Skizzen, in die er sämtliche Ideen einbrachte, die ihm einfielen. Nachdem er Walt Disney die Storyboards gezeigt hatte, bekam er grünes Licht für die Produktion. Walshs Ideen beinhalteten unter anderem ein Tomahawkduell gegen den [https://de.wikipedia.org/wiki/Seminolen Seminolenhäuptling] Red Stick, einen Bärenkampf, in dem Davy Crockett einen Bären besiegt, eine Begegnung mit Präsident [https://de.wikipedia.org/wiki/Andrew_Jackson Andrew Jackson] und eine Diskussion über die [https://de.wikipedia.org/wiki/Vertreibung_der_Indianer Umsiedlung der Indianer]. Noch während der Produktion der ersten drei Davy-Crockett-Episoden wurde Disney zu einem enthusiastischen Fürsprecher von Walshs Projekt. Die Kosten von damals 700.000 US-Dollar (das wären heute inflationsbereinigt etwa 7,7 Millionen Dollar) zahlten sich aus: Der Zuspruch des Publikums war phänomenal, und auch die Verantwortlichen beim Fernsehsender ABC völlig überrascht von dem guten Ergebnis. Die Serie entwickelte sich zu einem kommerziellen Erfolg, was laut einem internen Memo weder ABC noch [[Fess Parker]], der Davy-Crockett-Darsteller, noch Walt Disney und Bill Walsh wirklich glauben konnten.<ref name="FGLANDRAE></ref>


In den Zugaben der Floyd Gottfredson Library 12 wurden etwa zwanzig Daily-Strips nachgeschoben.<ref name="2719hyperion">Jeffrey Pepper (27.12.2006). „What a Character! – Li'l Davy“. [http://2719hyperion.blogspot.com/2006/12/what-character-lil-davy.html 2719hyperion.blogspot.com]</ref> Darin erklärt [[Fabian Gross]], dass Jiminy noch ein Weilchen in den Geschichten vorkam und Klein-Davy erst 1956 mit Abklingen des Davy-Crockett-Hypes ohne Erklärung verschwand.<ref> Gross, F. (2022). Die Comicabteilung bei der Arbeit: Die Gag-a-Day-Jahre. In F. Gottfredson, Floyd Gottfredson Library (Bd. 12, S. 300). Berlin: Egmont Verlagsgesellschaften mbH.</ref> In den Comicheften trat Klein-Davy in seinen Geschichten manchmal an der Seite von [[Klein-Adlerauge]] auf.<ref name="2719hyperion" />
Die überzeugenden und überaus positiven Rückmeldungen bekräftigten Walsh darin, Teile der Fernsehserie auch für den Comic zu adaptieren. Damit tat er gleich mehrere sinnvolle Dinge: Erstens sparte er sich Zeit und Arbeit, zweitens konnte er auf ein beliebtes Konzept setzen und dadurch sichergehen, dass auch der Comic gut ankommen würde und drittens war die [[Comicstrip]]-Geschichte die ideale Werbung für die Fernsehserie. Von Juni bis Oktober 1955 bevölkerte damit auch eine Comic-Figur namens Klein-Davy den Micky-Maus-Comicstrip, zwischen dem dritten und vierten Teil der Davy-Crockett-Miniserie, die es insgesamt auf fünf Episoden bringen sollte.<ref>[https://en.wikipedia.org/wiki/Davy_Crockett_(miniseries) Artikel zur Davy-Crockett-Miniserie in der englischsprachigen Wikipedia];</ref> Letztendlich bleibt aber – wie so oft bei Walsh – unklar, um was für eine Person es sich im Comic genau handelt: Ist der kleine Junge einfach nur ein modernes, von Crockett oder vielleicht sogar der Fernsehserie besessenes Kind, eine Reinkarnation des echten Westernhelden<ref name="FGLANDRAE></ref> oder handelt es sich womöglich um einen Zeitreisenden des 19. Jahrhunderts? Jedenfalls gelingt es Walsh mit der Kreation des jungen Davy auf ideale Weise, die Zielgruppe der Davy-Crockett-Filme anzusprechen, die ja ebenfalls Kinder sind.<ref name="FANNING">[[Jim Fanning]]: »Davy … Klein-Davy … Ein Freund bis zum bitteren Ende!« Floyd Gottfredson Library 12, Egmont Ehapa Media, Berlin 2022, S. 224;</ref>


Erst nach der Einführung von Klein-Davy fand auch Disneys Davy Crockett seinen Weg in die Zeitungsstrips: Die Sonntagscomicreihe „The Legends of Davy Crockett“ wurde entwickelt, welche nur wenige Wochen versetzt auch in Deutschland unter dem Titel „David Crockett und die Indianer“ im ''[[Hamburger Abendblatt]]'' veröffentlicht wurde. In den USA und in Deutschland lief die Reihe von 1955 bis 1956.<ref>„The Legends of Davy Crockett“. [https://inducks.org/story.php?c=ZT+009 inducks.org] {{Ind}}</ref>
== Analyse ==
=== Thematik und Moralaspekte ===
Insgesamt kann die Geschichte laut [[Jim Fanning]] als [[Parodie]] auf die Eigenarten der modernen Zivilisation betrachtet werden. Der kleine Westernjunge Davy verkörpert einen jungen Rebellen, der [[Micky Maus]] seine Lebensweise aufzwingen will – eine Lebensweise, die wenig mit dem heutigen Leben in einer Stadt zu tun hat. Sowohl Micky als auch [[Mack und Muck|Mack]] werden genötigt, mit dem Sonnenuntergang schlafen zu gehen, und müssen deswegen ihren obligatorischen Fernsehabend ausfallen lassen. Davy zeigt sich als typischer Hinterwäldler, der eine Lebensweise favorisiert, die primitiv wirken mag, sich aber letzten Endes durchaus in positiver Weise von den überhandnehmenden Einflüssen modernen und materialistischen Lebens abhebt. Damit konterkariert Davy das scheinbar verweichlichte Leben vieler Menschen, indem er sie auf die negativen Einflüsse aufmerksam machen und vor ihnen beschützen möchte.<ref name="FANNING"></ref> Davy zeigt sich zwar als Moralapostel, der bereit ist, für die konsequente Umsetzung seiner Pläne zu drastischen Maßnahmen zu greifen, verzichtet in dieser Funktion allerdings auf jegliche Anwendung von Gewalt, sondern droht sie höchstens an. Außerdem ist [[Klein-Davy|Davy]] schnell dazu bereit, Freundschaften zu schließen. So lädt er Mack nicht nur zu sich ins Baumhaus ein, sondern erweist sich als so gastfreundschaftlich, dass er ihm sogar anbietet, dort zu übernachten. Davys Charakter erscheint dadurch ambivalent, wobei schlussendlich die positiven Eigenschaften stärker hervortreten, was wiederum im Einklang mit der Fernsehserie steht.


Für die [[The Mickey Mouse Club (1955)|The Mickey Mouse Club]]-Folge vom 2. Dezember 1955 sangen die ''Talent Roundup''-Sängerinnen [[Darlene Gillespie]] und [[Judy Harriet]] ein Lied über Klein-Davy.<ref>„Talent Roundup Day Winners“. [http://www.originalmmc.com/winners.html originalmmc.com] [https://web.archive.org/web/20230510145123/http://www.originalmmc.com/winners.html (archiviert)]</ref><ref>Naomi Koroma (14.06.2023). „The Mickey Mouse club - Talent roundup winners: Darlene Gillespie & Judy Harriet“. [https://www.youtube.com/watch?v=aiqQ2-y4Lew youtube.com] {{YT}}</ref> Auch 1956 war Klein-Davy noch Thema für die Sendung: Walt Disney wollte den Kinderdarsteller [[Tommy Kirk]] neben seiner Rolle in der Mickey-Mouse-Club-Serie „[[Hardy Boys]]“ auch als Hauptstar in der geplanten Serie „Young Davy Crockett“ besetzen. Trotz Planungen und ersten Pressemeldungen wurde die Serie nie gedreht.<ref>„Lost Episodes: The 1956 Nominating Convention Newsreel Specials“. [http://www.originalmmc.com/losteps1.html originalmmc.com] [https://web.archive.org/web/20230729201613/http://www.originalmmc.com/losteps1.html (archiviert)]</ref>
[[Thomas Andrae]] betrachtet die Geschichte etwas anders und führt den Erfolg der Fernsehserie auf die Darstellung des Protagonisten als unabhängigen und selbständigen Charakter zurück. Diese zwei guten Charaktereigenschaften – die auch dem Comic-Davy innewohnen – bilden ein Gegenwicht zur Konformität und Arbeitsbürokratie der Vorstadtgesellschaft in den USA der 1950er Jahre. In der Fernsehshow zeigt sich Davy ebenso wie im Comic als rebellierende Person, als er beispielsweise die Befehle seiner Militäroberen ignoriert, um für seine Familie zu sorgen, oder den inkompetenten und streng nach Vorschrift handelnden Major im Kampf gegen die Indianer mit seinem Mitstreiter George Russell ausbootet und damit allen Frieden bringen kann.<ref name="FGLANDRAE></ref> Gemeinsamkeit ist in beiden Formaten, dass Davy teils gegen Autoritäten und Obrigkeiten agiert, dabei aber stets unter Berufung auf den guten Willen seiner Taten handelt.
 
Darüber hinaus wird Klein-Davy als erfahrener Jäger porträtiert, der im Einklang mit der Natur lebt und sie um jeden Preis schützen und erhalten will. Das zeigt sich etwa in der Szene, in der er gemeinsam mit Mack zwei aufgebrachte Jäger aus dem [[Entenhausener Wäldchen|Wald]], seinem Zuhause, jagt. Weil Klein-Davys jugendlicher Übermut allerdings nach einer Weile überhandnimmt, bringt Walsh [[Jiminy Grille]] als Gewissen ins Spiel, der ab der zehnten Woche dem Strip beiwohnt. Als sich Davy gegen Ende der Geschichte darüber beschwert, dass er in die Schule gehen müsse, wendet Jiminy ein, dass auch Fische und Vögel Schulen bilden, wobei er jedoch gleichzeitig behauptet, nicht genug Verstand zu haben, um etwas anderes zu tun als sich zu amüsieren. Dadurch macht Jiminy aber seine eigentliche Argumentation zunichte. Walsh und [[Floyd Gottfredson|Gottfredson]] würden die Bedeutung von Arbeitsmoral und einer ordentlichen Ausbildung über die Freuden des Spiels und des Müßiggangs erheben, allerdings nicht um jeden Preis.<ref name="FGLANDRAE></ref>
 
=== Kommerzialisierung des Micky-Maus-Strips ===
Wie schon zwei weitere Geschichten, ''[[Das tapfere Schneiderlein]]'' (1938) und ''[[Mausopotamien]]'' (1950), ist ''Klein-Davy'' im Grunde eine gänzlich durchkommerzialisierte Geschichte: Davy wurde von Walsh und Gottfredson bewusst als kleiner Junge dargestellt, um Kinder besonders anzusprechen, und vertreibt gegen Ende sogar [[Micky]] für zwei Wochen aus seinem Comicstrip, nur, um Werbung für die ''Disneyland''-Episoden machen zu können. Auch die Tatsache, dass Davy eine Waschbärenfellmütze trägt, die während der Ausstrahlung der Episoden so sehr beworben wurde, dass den Herstellern die Waschbärenfelle ausgingen und sie stattdessen andere Tierfelle für die Produktion verwenden mussten, unterstreicht diesen Eindruck. Einzig und allein in dieser Geschichte wurde sogar Jiminy Grille in „Jiminy Crockett“ umbenannt, wobei er selbst sogar noch davon spricht, dies aus „geschäftlichen Gründen“ getan zu haben. Kurzum ist ''Klein-Davy'' im Prinzip ein Werbecomic, der sich als Ziel setzt, die Leser für die Fernsehsendung zu begeistern.<ref name="FGLANDRAE></ref>
 
== Kontexteinordnung und Bedeutung ==
=== Die letzte Micky-Maus-Fortsetzungsgeschichte ===
Doch die Kommerzialisierung blieb nicht ohne Folgen: Den Verantwortlichen bei Disney und [[ABC]] wurde klar, welche ungeahnten Möglichkeiten das Fernsehen eröffnete und wie unwichtig Comics geworden waren, die kaum solche Begeisterung und hohen Umsätze generieren konnten. Der Erfolg von frühen Fernsehsendungen wie ''[[Disneyland (Show)|Disneyland]]'' veränderte die US-amerikanische Kultur massiv; das Fernsehen löste sowohl Kino als auch Comic innerhalb kürzester Zeit als wichtigstes Unterhaltungsmedium ab. Der Micky-Maus-Comicstrip stand vor einem einschneidenden Ereignis, wie sich Floyd Gottfredson später erinnerte:
 
{{Zitat
| ZIT = In the mid-1950s King Features decided that we should return to the gag-a-day formula. After the advent of TV, newspapers lost a tremendous amount of circulation and many were put out of business. The syndicate felt that TV could do continuity more effectiveley than humorous comic strips, so they asked all their cartoonists who did this type of strip to change to the gag-a-day format.
| UEB = Mitte der 1950er kam von King Features die Anweisung, dass wir zu abgeschlossenen Gagstrips wechseln sollten. Durch den Aufstieg des Fernsehens verloren die Tageszeitungen enorm an Reichweite und nicht wenige wurden eingestellt. Beim [King Features] Syndicate war man der Ansicht, das das Fernsehen für Fortsetzungsgeschichten viel geeigneter sei als humorvolle Comicstrips, also baten sie alle Cartoonisten, die für sie arbeiteten, nur noch abgeschlossene Gagstrips zu produzieren.
| PER = Floyd Gottfredson
| QUE = Interview mit [[Thomas Andrae]], 1980er Jahre
}}
 
Ironischerweise hat damit das Fernsehen als Inspiration für Mickys letztes Gottfredson-Abenteuer gedient. Außerdem war es Walsh und Gottfredson nicht möglich, ''Klein-Davy'' so abzuschließen, wie sie es geplant haben mögen, da die Anordnung von King Features mitten in der Produktionsphase erging.<ref name="FANNING"></ref> [[Walt Disney]] hätte zwar theoretisch die Möglichkeit gehabt, der Anordnung zu widersprechen, wie beispielsweise 1932 bei der Alligatorszene in ''[[Burg Unfried]]'', zog diese Option allerdings nicht in Erwägung. Floyd Gottfredson bedauerte den Einschnitt zutiefst und wäre lieber „zu irgendeiner Art von Kontinuität zurückgekehrt“. Er hatte das Gefühl, dass der Micky-Maus-Comicstrip in der Folge deutlich an Popularität einbüßte, zeichnete ihn jedoch noch 20 Jahre weiter, bis zu seiner Pensionierung am 1. Oktober 1975.<ref name="FGLANDRAE></ref>
 
=== Was folgte danach? ===
Die danach folgenden Gag-A-Day-Comicstrips fokussierten sich zwar wieder auf [[Micky Maus]], zeigten den einstigen Abenteuerhelden aber von einer gezähmten Seite und ohne viel Biss. Laut Einschätzung von Fans und anerkannten Disney-Experten endete mit der letzten Fortsetzungsgeschichte 1955 eine große Phase mit guten Geschichten, an deren Beliebtheit die Gag-A-Days nur noch bedingt anknüpfen konnten. Die ungefähr 20 in Band 12 der ''[[Floyd Gottfredson Library]]'' nachgeschobenen Daily-Strips veranschaulichen, auch durch Begleittexte des Redakteurs [[Fabian Gross]], recht gut, dass Micky nach 1955 als ein anderer Charakter wahrgenommen werden kann.<ref>[[Fabian Gross]]: Die Comicabteilung bei der Arbeit: Die Gag-a-Day-Jahre. Floyd Gottfredson Library 12, Egmont Ehapa Media, Berlin 2022, S. 300;</ref> [[Klein-Davy]] und [[Jiminy Grille|Jiminy Crockett]] bevölkerten den Strip noch eine Weile und verschwanden erst mit Abklingen des Davy-Crockett-Hypes 1956 ohne Erklärung. In den Comicheften trat Klein-Davy in seinen Geschichten manchmal an der Seite von [[Klein-Adlerauge]] auf.<ref name="2719hyperion">Jeffrey Pepper: „What a Character! – Li’l Davy“. [http://2719hyperion.blogspot.com/2006/12/what-character-lil-davy.html Internet-Blogeintrag], 27.12.2006;</ref>
 
Erst nach der Einführung von Klein-Davy fand auch Disneys Davy Crockett seinen Weg in die Zeitungsstrips: Die Sonntagscomicreihe „The Legends of Davy Crockett“ wurde entwickelt, welche nur wenige Wochen versetzt auch in Deutschland unter dem Titel „David Crockett und die Indianer“ im ''[[Hamburger Abendblatt]]'' veröffentlicht wurde. In den USA und in Deutschland lief die Reihe von 1955 bis 1956.<ref>[https://inducks.org/story.php?c=ZT+009 Inducks-Eintrag] zur Geschichte „The Legends of Davy Crockett“;</ref>


== Trivia ==
== Trivia ==
*Bei dieser Geschichte lässt sich besonders gut erkennen, dass [[Floyd Gottfredson]] in der Regel sehr feine Tuschelinien gezogen hat, diese aber oft nicht so gut wiedergegeben werden. Bei den Strips von Mitte September sieht man hingegen, dass die Linien sehr fein gezogen worden sind. Dass die Linien meist nicht so scharf wiedergegeben werden, liegt daran, dass als Quelle für den Abdruck in der ''Floyd Gottfredson Library'' die in den Archiven vorhandenen Kopien der damaligen Originalstrips verwendet wurden, die meistens an Qualität eingebüßt haben.<ref>Fotos zeigen Gottfredson, wie er im Archiv steht und einen Archivband hochhält. Für die ''Floyd Gottfredson Library'' mussten die Herausgeber mühsam die Strips aus den Archiven zusammensuchen, weswegen die Qualität zweitrangig war.</ref> Die immer noch unterschiedlich dicken Tuschelinien sind allerdings von Gottfredson bewusst so angelegt worden, da er verschiedene Tuschefedern benutzte – für sehr feine Linien möglichst neue und für dickere Linien, wie Panelumrandungen, ältere.<ref>Interview mit [[Floyd Gottfredson]] in: The Illustrator, Artikel „Mickey Mouse and me“, 1976, S. 30;</ref>
*Am Anfang der Geschichte nimmt Micky ständig das Titellied der Davy Crockett-Reihe wahr, welches seit seiner Premiere am 27. Oktober 1954 ein gewaltiger Erfolg war. Das Lied heißt „[[The Ballad of Davy Crockett]]“ und wurde von Fess Parker gesungen.<ref>[https://en.wikipedia.org/wiki/The_Ballad_of_Davy_Crockett Artikel zur Davy-Crockett-Ballade in der englischsprachigen Wikipedia];</ref><ref>[https://www.youtube.com/watch?v=txcRQedoEyY Die Davy-Crockett-Ballade auf Youtube];</ref>
*Für die „[[The Mickey Mouse Club (1955)|The Mickey Mouse Club]]“-Folge vom 2. Dezember 1955 sangen die ''Talent Roundup''-Sängerinnen [[Darlene Gillespie]] und [[Judy Harriet]] ein Lied über Klein-Davy.<ref>„Talent Roundup Day Winners“. [https://web.archive.org/web/20230510145123/http://www.originalmmc.com/winners.html Link dazu im Internet-Archiv], da die ursprüngliche Seite nicht mehr abrufbar ist;</ref><ref>Naomi Koroma: „The Mickey Mouse club – Talent roundup winners: Darlene Gillespie & Judy Harriet“. [https://www.youtube.com/watch?v=aiqQ2-y4Lew Youtube-Video] {{YT}}, 14.06.2023;</ref> Auch 1956 war Klein-Davy noch Thema für die Sendung: Walt Disney wollte den Kinderdarsteller [[Tommy Kirk]] neben seiner Rolle in der Mickey-Mouse-Club-Serie „[[Hardy Boys]]“ auch als Hauptstar in der geplanten Serie „Young Davy Crockett“ besetzen. Trotz Planungen und ersten Pressemeldungen wurde die Serie nie gedreht.<ref>„Lost Episodes: The 1956 Nominating Convention Newsreel Specials“. [https://web.archive.org/web/20230729201613/http://www.originalmmc.com/losteps1.html Link dazu im Internet-Archiv], da die ursprüngliche Seite nicht mehr abrufbar ist;</ref>
*Nahe dem [[Disneyland Paris]] gibt es die Disney-Davy-Crockett Ranch, eine Ferienanlage.<ref>Die [https://www.disneylandparis.com/de-at/hotels/disneys-davy-crockett-ranch/ „Disney Davy Crockett Ranch“] auf der Disneyland-Website;</ref>
*[[Walt Disney]] selbst befürwortet persönlich die Aufnahme von Klein-Davy in die Comicstrips. 1955 posierte er sogar mit einem Pappaufsteller des Charakters im Disneyland-Vergnügungsparks.<ref name="FGLANDRAE></ref>
*Die ersten drei Teile der Fernsehserie wurden auch in einer Filmversion veröffentlicht: [[Davy Crockett, König der Trapper]].
*Die historische Persönlichkeit [https://de.wikipedia.org/wiki/Davy_Crockett Davy Crockett] hieß eigentlich David de Crocketagne und war ein amerikanischer Politiker und Volksheld.
*Bei dieser Geschichte lässt sich besonders gut erkennen, dass [[Floyd Gottfredson]] in der Regel sehr feine Tuschelinien gezogen hat, diese aber oft nicht so gut wiedergegeben werden. Bei den Strips von Mitte September sieht man hingegen, dass die Linien sehr fein gezogen worden sind. Dass die Linien meist nicht so scharf wiedergegeben werden, liegt daran, dass als Quelle für den Abdruck in der ''Floyd Gottfredson Library'' die in den Archiven vorhandenen Kopien der damaligen Originalstrips verwendet wurden, die meistens an Qualität eingebüßt haben.<ref>Fotos zeigen Gottfredson, wie er im Archiv steht und einen Archivband hochhält. Für die ''Floyd Gottfredson Library'' mussten die Herausgeber mühsam die Strips aus den Archiven zusammensuchen, weswegen die Qualität zweitrangig war.</ref> Die immer noch unterschiedlich dicken Tuschelinien sind allerdings von Gottfredson bewusst so angelegt worden, da er verschiedene Tuschefedern benutzte – für sehr feine Linien möglichst neue und für dickere Linien, wie Panelumrandungen, ältere.<ref>Interview mit [[Floyd Gottfredson]] in: The Illustrator, Artikel „Mickey Mouse and me“, 1976, S. 30.</ref>
*Die Davy-Crockett-Episoden erschienen auch auf der DVD ''[[Walt Disney Treasures: Davy Crockett]]''.


== Deutsche Veröffentlichungen ==
== Deutsche Veröffentlichungen ==
*[[Floyd Gottfredson Library 12]] (2022)
*[[Floyd Gottfredson Library 12]] (2022)
== Trivia ==
*Am Anfang der Geschichte nimmt Micky ständig das Titellied der Davy Crockett-Reihe wahr, welches seit seiner Premiere am 27. Oktober 1954 ein gewaltiger Erfolg war. Das Lied heißt „[[The Ballad of Davy Crockett]]“ und wurde von Fess Parker gesungen.<ref>„The Ballad of Davy Crockett“. [https://en.wikipedia.org/wiki/The_Ballad_of_Davy_Crockett wikipedia.org]</ref><ref>https://www.youtube.com/watch?v=txcRQedoEyY</ref>
*Nahe dem [[Disneyland Paris]] gibt es die Disney-Davy-Crockett Ranch, eine Ferienanlage.<ref>„Disney Davy Crockett Ranch“. [https://www.disneylandparis.com/de-at/hotels/disneys-davy-crockett-ranch/ disneylandparis.com]</ref>
*Die ersten drei Teile der Fernsehserie wurden auch in einer Filmversion veröffentlicht: [[Davy Crockett, König der Trapper]].
*Die historische Persönlichkeit [https://de.wikipedia.org/wiki/Davy_Crockett Davy Crockett] hieß eigentlich David de Crocketagne und war ein amerikanischer Politiker und Volksheld.


== Weblinks ==
== Weblinks ==