Erika Fuchs: Unterschied zwischen den Versionen
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Schon in Rostock war Erika Fuchs zur Schule gegangen, sie war wesentlich früher eingeschult worden, als es heute der Fall ist. So war sie keine vier, als sie das erste mal auf der Schulbank saß. Drei Jahre lang besuchte sie die Volksschule, bis sie Ostern 1913 auf die anspruchsvollere "Höhere Töchterschule" wechselte. Doch auch dort, so fand Erika Fuchs, war das Unterrichtsniveau sehr gering, so dass sie kaum etwas lernte. Später sagte sie: "''Wir trieben viel Unsinn und lernten wenig''" (Zitat aus: ''Die Zeit''). Erst nachdem eine neue Lehrerin den Unterricht übernahm, änderte sich das ("''Vom geistigen Reichtum in der Welt erfuhren wir erst, als wir eine richtige Studienrätin für Deutsch und Geschichte bekamen''", Zitat: ''Die Zeit''). Die neue Lehrkraft weckte die Wissbegierde und Literaturbegeisterung in Erika Fuchs. Sie wurden von ihr, zusammen mit dem Rest der Klasse, öfters nach Hause eingeladen, um in ihrer Freizeit noch mehr über klassische Künste zu erfahren. Der Ehrgeiz von Erika Fuchs und ihrer Freundin Asta Hampe war so groß, dass sie hofften, ins städtische Jungengymnasium aufgenommen zu werden. Dort wurden in erster Linie mehr Sprachen und tiefere kulturelle Aspekte gelehrt. Das war im Jahr 1921, Fuchs war gerade 14. Ihr strenger Vater unterstützte ihr Engagement, so dass er, wohl auch mit Hilfe seines Einflusses als einer der reichsten Stadtbürger, den konservativen Rat Belgards dazu brachte, über den Wunsch seiner Tochter und deren Freundin abzustimmen. Der Fall wuchs zu einem kleinen Skandal, doch die sozialdemokratische Fraktion in der Stadtregierung schaffte es, den Vorschlag durchzubringen. Die beiden Mädchen mussten jedoch erst einmal kostenintensiv das nachholen, was ihnen die Jungen, welche das Gymnasium besuchten, bereits voraus waren. So wurden die beiden für die Länge eines Schuljahres freigestellt, um sich in den Sprachfächern Latein und Griechisch weiterzubilden, die sie bis dato nicht gelernt hatten. Als das Jahr vorüber war, musste Erika Fuchs Wegbegleiterin Asta Hampa jedoch Belgard verlassen, da ihr Vater sich entschlossen hatten, mit seiner Familie nach Hamburg zu ziehen. So wurde Fuchs 1922 die erste weibliche Gymnasiastin in der Geschichte der Stadt Belgard und schaffte es im Jahr 1926 das Abitur zu bestehen. Um allerdings ihrem angestrebten Studium nachgehen zu können, musste sie nicht nur Belgard, sondern gleich ganz Norddeutschland verlassen. | Schon in Rostock war Erika Fuchs zur Schule gegangen, sie war wesentlich früher eingeschult worden, als es heute der Fall ist. So war sie keine vier, als sie das erste mal auf der Schulbank saß. Drei Jahre lang besuchte sie die Volksschule, bis sie Ostern 1913 auf die anspruchsvollere "Höhere Töchterschule" wechselte. Doch auch dort, so fand Erika Fuchs, war das Unterrichtsniveau sehr gering, so dass sie kaum etwas lernte. Später sagte sie: "''Wir trieben viel Unsinn und lernten wenig''" (Zitat aus: ''Die Zeit''). Erst nachdem eine neue Lehrerin den Unterricht übernahm, änderte sich das ("''Vom geistigen Reichtum in der Welt erfuhren wir erst, als wir eine richtige Studienrätin für Deutsch und Geschichte bekamen''", Zitat: ''Die Zeit''). Die neue Lehrkraft weckte die Wissbegierde und Literaturbegeisterung in Erika Fuchs. Sie wurden von ihr, zusammen mit dem Rest der Klasse, öfters nach Hause eingeladen, um in ihrer Freizeit noch mehr über klassische Künste zu erfahren. Der Ehrgeiz von Erika Fuchs und ihrer Freundin Asta Hampe war so groß, dass sie hofften, ins städtische Jungengymnasium aufgenommen zu werden. Dort wurden in erster Linie mehr Sprachen und tiefere kulturelle Aspekte gelehrt. Das war im Jahr 1921, Fuchs war gerade 14. Ihr strenger Vater unterstützte ihr Engagement, so dass er, wohl auch mit Hilfe seines Einflusses als einer der reichsten Stadtbürger, den konservativen Rat Belgards dazu brachte, über den Wunsch seiner Tochter und deren Freundin abzustimmen. Der Fall wuchs zu einem kleinen Skandal, doch die sozialdemokratische Fraktion in der Stadtregierung schaffte es, den Vorschlag durchzubringen. Die beiden Mädchen mussten jedoch erst einmal kostenintensiv das nachholen, was ihnen die Jungen, welche das Gymnasium besuchten, bereits voraus waren. So wurden die beiden für die Länge eines Schuljahres freigestellt, um sich in den Sprachfächern Latein und Griechisch weiterzubilden, die sie bis dato nicht gelernt hatten. Als das Jahr vorüber war, musste Erika Fuchs Wegbegleiterin Asta Hampa jedoch Belgard verlassen, da ihr Vater sich entschlossen hatten, mit seiner Familie nach Hamburg zu ziehen. So wurde Fuchs 1922 die erste weibliche Gymnasiastin in der Geschichte der Stadt Belgard und schaffte es im Jahr 1926 das Abitur zu bestehen. Um allerdings ihrem angestrebten Studium nachgehen zu können, musste sie nicht nur Belgard, sondern gleich ganz Norddeutschland verlassen. | ||
[[Bild:Erika Fuchs Autogramm.jpg|thumb|left|Autogramm von Erika Fuchs (von [http://www.theredsaint.de Jano Rohleder])]] | [[Bild:Erika Fuchs Autogramm.jpg|thumb|left|Autogramm von Erika Fuchs (von [http://www.theredsaint.de Jano Rohleder])]] | ||
So ging sie für das erste Semester in die Schweiz, sollte danach aber während ihrer Studienzeit noch mehr als ein halbes Dutzend anderer Staaten bereisen, bevor sie endgültig nach Deutschland zurückkehrte. Als Hauptfach wählte Erika Fuchs Kunstgeschichte, dazu noch Archäologie und Mittelalterliche Geschichte. Dort, in der Hauptstadt des schweizerischen Kantons Waadt, Lausanne, verbrachte sie ihr erstes Semester im Sommer 1926, anschließend lockte es sie für einige Monate zurück nach Deutschland, wo sie in München ein weiteres Semester erfolgreich abschloss (1927). Es folgten zwei Semester in der britischen Hauptstadt London in den Jahren 1927/1928, dann ging es wieder zurück nach München, wo sie bis zum Examen im Wintersemester 1930/31 weiterstudierte und das Studium damit abschloss. Da es Erika Fuchs in dieser Zeit allerdings nie lange an einem Ort hielt, besuchte sie, vor allem gegen Ende der Zwanzigerjahre, viele andere europäische Länder. Vorrangig finanziert wurde das von ihrer Familie, ihr Vater investierte weiter in seine zweitälteste Tochter, um ihr eine gute Ausbildung zu ermöglichen. So konnte sie nach Florenz in Italien, Holland, in die Schweiz und nach Großbritannien reisen. Die Krönung ihres Engagements erntete sie 1935, als sie mit einer ausführlich recherchierten Arbeit über den deutschen Barock-Bildhauer Johann Michael Feichtmayer (1709-1772) ''summa cum laude'' promovierte und den Grad einer Doktorin erreicht. Ihr Werk über Feichtmayer hatte sie in erster Linie auf die Ergebnisse von wochenlangem Durchblättern alter Kirchenbücher gestützt, dazu illustrierte sie die Promotion mit über knapp 160 | So ging sie für das erste Semester in die Schweiz, sollte danach aber während ihrer Studienzeit noch mehr als ein halbes Dutzend anderer Staaten bereisen, bevor sie endgültig nach Deutschland zurückkehrte. Als Hauptfach wählte Erika Fuchs Kunstgeschichte, dazu noch Archäologie und Mittelalterliche Geschichte. Dort, in der Hauptstadt des schweizerischen Kantons Waadt, Lausanne, verbrachte sie ihr erstes Semester im Sommer 1926, anschließend lockte es sie für einige Monate zurück nach Deutschland, wo sie in München ein weiteres Semester erfolgreich abschloss (1927). Es folgten zwei Semester in der britischen Hauptstadt London in den Jahren 1927/1928, dann ging es wieder zurück nach München, wo sie bis zum Examen im Wintersemester 1930/31 weiterstudierte und das Studium damit abschloss. Da es Erika Fuchs in dieser Zeit allerdings nie lange an einem Ort hielt, besuchte sie, vor allem gegen Ende der Zwanzigerjahre, viele andere europäische Länder. Vorrangig finanziert wurde das von ihrer Familie, ihr Vater investierte weiter in seine zweitälteste Tochter, um ihr eine gute Ausbildung zu ermöglichen. So konnte sie nach Florenz in Italien, Holland, in die Schweiz und nach Großbritannien reisen. Die Krönung ihres Engagements erntete sie 1935, als sie mit einer ausführlich recherchierten Arbeit über den deutschen Barock-Bildhauer Johann Michael Feichtmayer (1709-1772) ''summa cum laude'' promovierte und den Grad einer Doktorin erreicht. Ihr Werk über Feichtmayer hatte sie in erster Linie auf die Ergebnisse von wochenlangem Durchblättern alter Kirchenbücher gestützt, dazu illustrierte sie die Promotion mit über knapp 160 Photographien, die sie selbst geschossen hatte. Der genaue Titel lautete "''Johann Michael Feichtmayr: Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Rokoko''". | ||
=== Vor und nach dem Dritten Reich === | === Vor und nach dem Dritten Reich === |