Tod: Unterschied zwischen den Versionen
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Es ist ganz klar, dass die wichtigsten Disney-Figuren wie [[Micky]] oder [[Donald]] und auch sonstige wiederkehrende Figuren nicht sterben dürfen: Sind sie einmal tot, kann man sie nicht wiederverwenden. Doch auch sterbende Nebenfiguren sind in Entenhausen eine Rarität – und sogar die bloße Thematisierung eines möglichen Todes ist sehr selten zu sehen. Dies folgt der allgemeinen Vorstellung von Disney, solch ein Thema sei für Kinder, an die als Hauptpublikum sich Comics ja richten, nicht geeignet – die Thematisierung von Tod ist in Disney-Comics nachgerade einem Tabu unterworfen, so wie jene der Sexualität. Dennoch fällt auf, dass bis in die 1950er und | Es ist ganz klar, dass die wichtigsten Disney-Figuren wie [[Micky]] oder [[Donald]] und auch sonstige wiederkehrende Figuren nicht sterben dürfen: Sind sie einmal tot, kann man sie nicht wiederverwenden. Doch auch sterbende Nebenfiguren sind in Entenhausen eine Rarität – und sogar die bloße Thematisierung eines möglichen Todes ist sehr selten zu sehen. Dies folgt der allgemeinen Vorstellung von Disney, solch ein Thema sei für Kinder, an die als Hauptpublikum sich Comics ja richten, nicht geeignet – die Thematisierung von Tod ist in Disney-Comics nachgerade einem Tabu unterworfen, so wie jene der Sexualität. Dennoch fällt auf, dass bis in die 1950er und 1960er-Jahre hinein in Italien und den USA mit dem Thema freier umgegangen wurde und dass erst ab dann eine steigende [[Zensur]] dafür sorgte, dass der Tod weitgehend aus den Comics verbannt wurde. | ||
=== Bis in die 1960er === | === Bis in die 1960er === | ||
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In ''[[Jagd nach der roten Magenta]]'' von Barks wurden Donalds Suizidgedanken thematisiert, zumindest in der Übersetzung. So scheint Donald, auf einer Brücke stehend und die fließende [[Gumpe]] betrachtend, bereits mit seinem Leben abgeschlossen zu haben. Auch in der Geschichte ''Tauschhändel'' legt [[Erika Fuchs]] dem Enterich Worte in den Mund, als ob dieser bereits mit dem Leben abgeschlossen hätte. | In ''[[Jagd nach der roten Magenta]]'' von Barks wurden Donalds Suizidgedanken thematisiert, zumindest in der Übersetzung. So scheint Donald, auf einer Brücke stehend und die fließende [[Gumpe]] betrachtend, bereits mit seinem Leben abgeschlossen zu haben. Auch in der Geschichte ''Tauschhändel'' legt [[Erika Fuchs]] dem Enterich Worte in den Mund, als ob dieser bereits mit dem Leben abgeschlossen hätte. | ||
Während der Tod bei Barks in den 1940ern und | Während der Tod bei Barks in den 1940ern und 1950ern noch öfters vorkam, begann ab 1955 Western mit der Vorlegung einer Liste mit unzulässigen Themen, die Thematisierung von Tod einem Tabu zu unterlegen: „Minderheiten, Politik, Religion, Arbeit, Suizid, Tod, Einschränkungen (wie Blindheit), Folter, Entführungen, Erpressungen, Schlangen, Sex, Liebe, weibliche Bösewichte, Rechtsverdreher und Übergewichtige, die nicht Weiße sind“, sollten verboten sein.<ref>[[Thomas Andrae]] (2006): Carl Barks and the Disney Comic Book. Jackson, MS: University Press of Mississippi. S. 233.</ref> | ||
Mit zeitlicher Versetzung zu den USA begann auch in Italien das Tabu der Thematisierung des Todes stärker zu greifen. Frühe italienische Geschichten hatten den Tod ebenfalls immer wieder eingesetzt, vor allem [[Guido Martina]] hatte diesbezüglich wenig Bedenken. Besonders erwähnenswert ist ''[[Das doppelte Geheimnis des Schwarzen Phantoms]]'', in der in einem Panel zu sehen ist, wie der vom Phantom hypnotisierte Micky vermeintlich auf [[Kommissar Hunter]] einsticht (der dem Mordanschlag allerdings entkommt). In derselben Geschichte wird [[Goofy]] fast ertränkt und Micky (im italienischen Original) fast auf den elektrischen Stuhl gesetzt. In ''Der mysteriöse Mister Moster'' ([[LTB 36]]), ebenfalls von Martina, wird fast ein Hund vergiftet. Am Ende der Geschichte wird Donalds Duplikat in Luft aufgelöst, während Mister Mosters Villa – möglicherweise mitsamt Moster – in die Luft fliegt. Doch nicht nur Martina thematisierte relativ offenkundig den Tod. Ein weiteres Beispiel ist die Geschichte ''Der Zorn der Tiegelhexe'' ([[Schneewittchen und die Sieben Zwerge – Neue Geschichten von Romano Scarpa]]), in der die Hexe zum Schluss ertränkt wird. In der Geschichte ''Klarabellas Erbschaft'' ([[LTB 13]]) von [[Gian Giacomo Dalmasso]] und [[Giovan Battista Carpi]] sterben Klarabellas Onkel im Original durch eine Bombenexplosion, in der deutschen Version durch einen Hubschrauberabsturz. Zudem zeigten mehrere italienische Comics Suizidversuche der Hauptfiguren, besonders Dagoberts, der sich in einer Geschichte mit einer Eisenkugel um den Hals von einer Brücke stürzen wollte und in einer anderen Donald oder seinen Butler aufforderte, ihm den Kopf abzuschlagen. Diese klaren Thematisierungen des Todes wurden so gut wie immer humoristisch verfremdet und gehörten in den früheren italienischen Geschichten, besonders denen Guido Martinas, zu Dagoberts Charakter. Bei nur geringen Verlusten zeigte er große Schmerzen, bei größeren wälzte er Suizidgedanken. Diese klaren Anspielungen auf den Tod wurden allerdings in Italien mit der Zeit reduziert und auch wenn die Comics gerade Martinas immer noch Gewalt zeigten, war doch der Tod kein Thema mehr für einen Disney-Comic. | Mit zeitlicher Versetzung zu den USA begann auch in Italien das Tabu der Thematisierung des Todes stärker zu greifen. Frühe italienische Geschichten hatten den Tod ebenfalls immer wieder eingesetzt, vor allem [[Guido Martina]] hatte diesbezüglich wenig Bedenken. Besonders erwähnenswert ist ''[[Das doppelte Geheimnis des Schwarzen Phantoms]]'', in der in einem Panel zu sehen ist, wie der vom Phantom hypnotisierte Micky vermeintlich auf [[Kommissar Hunter]] einsticht (der dem Mordanschlag allerdings entkommt). In derselben Geschichte wird [[Goofy]] fast ertränkt und Micky (im italienischen Original) fast auf den elektrischen Stuhl gesetzt. In ''Der mysteriöse Mister Moster'' ([[LTB 36]]), ebenfalls von Martina, wird fast ein Hund vergiftet. Am Ende der Geschichte wird Donalds Duplikat in Luft aufgelöst, während Mister Mosters Villa – möglicherweise mitsamt Moster – in die Luft fliegt. Doch nicht nur Martina thematisierte relativ offenkundig den Tod. Ein weiteres Beispiel ist die Geschichte ''Der Zorn der Tiegelhexe'' ([[Schneewittchen und die Sieben Zwerge – Neue Geschichten von Romano Scarpa]]), in der die Hexe zum Schluss ertränkt wird. In der Geschichte ''Klarabellas Erbschaft'' ([[LTB 13]]) von [[Gian Giacomo Dalmasso]] und [[Giovan Battista Carpi]] sterben Klarabellas Onkel im Original durch eine Bombenexplosion, in der deutschen Version durch einen Hubschrauberabsturz. Zudem zeigten mehrere italienische Comics Suizidversuche der Hauptfiguren, besonders Dagoberts, der sich in einer Geschichte mit einer Eisenkugel um den Hals von einer Brücke stürzen wollte und in einer anderen Donald oder seinen Butler aufforderte, ihm den Kopf abzuschlagen. Diese klaren Thematisierungen des Todes wurden so gut wie immer humoristisch verfremdet und gehörten in den früheren italienischen Geschichten, besonders denen Guido Martinas, zu Dagoberts Charakter. Bei nur geringen Verlusten zeigte er große Schmerzen, bei größeren wälzte er Suizidgedanken. Diese klaren Anspielungen auf den Tod wurden allerdings in Italien mit der Zeit reduziert und auch wenn die Comics gerade Martinas immer noch Gewalt zeigten, war doch der Tod kein Thema mehr für einen Disney-Comic. | ||
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Auch andere Autoren thematisierten den Tod, wie beispielsweise [[Casty]]. In ''[[Was gestern geschah…]]'' etwa schmeißt Kater Karlo Micky und Minnie eine Klippe runter, um sie endlich loszuwerden, die beiden überleben den Sturz aber natürlich. Noch drastischer ist allerdings ''[[Das ewige Imperium]]''. In diesem Monumentalwerk Castys wird sogar explizit gezeigt, wie der Fürst Drageo nach und nach vier Minister des Fünferrats eines autoritären Staates vereist, um seine politischen Gegner loszuwerden und die Diktatur perfekt zu machen. Gefragt, ob die Vereisten nun tot sind, meinte Casty, dass Jüngere gerne denken dürfen, dass man sie wieder auftauen kann, lässt die andere (tabuisierte) Option aber mindestens genauso gelten, besonders für Leser, die keine Kinder mehr sind.<ref>http://www.ilsollazzo.com/interviste/botta-e-risposta/topolino-e-limpero-sottozero/</ref> | Auch andere Autoren thematisierten den Tod, wie beispielsweise [[Casty]]. In ''[[Was gestern geschah…]]'' etwa schmeißt Kater Karlo Micky und Minnie eine Klippe runter, um sie endlich loszuwerden, die beiden überleben den Sturz aber natürlich. Noch drastischer ist allerdings ''[[Das ewige Imperium]]''. In diesem Monumentalwerk Castys wird sogar explizit gezeigt, wie der Fürst Drageo nach und nach vier Minister des Fünferrats eines autoritären Staates vereist, um seine politischen Gegner loszuwerden und die Diktatur perfekt zu machen. Gefragt, ob die Vereisten nun tot sind, meinte Casty, dass Jüngere gerne denken dürfen, dass man sie wieder auftauen kann, lässt die andere (tabuisierte) Option aber mindestens genauso gelten, besonders für Leser, die keine Kinder mehr sind.<ref>http://www.ilsollazzo.com/interviste/botta-e-risposta/topolino-e-limpero-sottozero/</ref> | ||
In ähnlicher Weise wird der mögliche Tod des weisen Drachen Ormen in ''[[Kampf der Zauberer]]'' dargestellt. Während sein Körper in einen Heilschlaf versetzt wird, tritt er ab dann nur noch zweimal als Geist in Erscheinung. Inoffiziell scheint er damit gestorben zu sein. | In ähnlicher Weise wird der mögliche Tod des weisen Drachen Ormen in ''[[Kampf der Zauberer]]'' dargestellt. Während sein Körper in einen Heilschlaf versetzt wird, tritt er ab dann nur noch zweimal als Geist in Erscheinung. Inoffiziell scheint er damit gestorben zu sein. In ''Hollys Weihnachtswichtel'' ([[LTB Weihnachten 21]]) von [[Pietro Zemelo]] und [[Giuseppe Zironi]] wiederum begleiten Micky und Goofy im Zuge einer Zeitreise das gesamte Leben Hollys vom kleinen Mädchen bis zur Großmutter. Bei ihrem letzten Stopp in der Vergangenheit ist Holly nicht mehr am Leben. Ihr Tod wird aber nie offen ausgesprochen, sondern nur angedeutet, um nicht deutlich das Tabu zu verletzen. | ||
In neuerer Zeit unterliegen sogar bloße Erwähnungen des Wortes „Tod“ einem gewissen Tabu. In [[LTB Spezial 116]] wurde in der Geschichte ''Das verrückte Mausoleum'' die Befürchtung des Außerirdischen Aha gestrichen, dass er Micky und Goofy mit seinem Kristall töten könnte (was im Comic natürlich nicht passiert). Nunmehr heißt es an dieser Stelle: „Ahas Kristall kann euch durch Zeit und Raum befördern ... aber es könnte auch schiefgehen!“, was in dieser Situation nicht annähernd die Dramatik vermittelt wie noch das Original. | In neuerer Zeit unterliegen sogar bloße Erwähnungen des Wortes „Tod“ einem gewissen Tabu. In [[LTB Spezial 116]] wurde in der Geschichte ''Das verrückte Mausoleum'' die Befürchtung des Außerirdischen Aha gestrichen, dass er Micky und Goofy mit seinem Kristall töten könnte (was im Comic natürlich nicht passiert). Nunmehr heißt es an dieser Stelle: „Ahas Kristall kann euch durch Zeit und Raum befördern ... aber es könnte auch schiefgehen!“, was in dieser Situation nicht annähernd die Dramatik vermittelt wie noch das Original. |