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Disneys Gegenspieler Wilhelm Dantine diente dazu, Disney die Vorwürfe zu machen, welche ihm auch Jungk machen würde, ihn aber auch gleichzeitig tief zu verehren. Der erfundene Dantine ähnelt in dieser Position Disneys realem Gegenspieler [[Art Babbitt]], der den [[Streik in den Disney-Studios 1941]] initiierte und in späteren Interviews gegen Disney sprach. Anders als das Werk Disneys seien diese Interviews, so Jungk, irgendwie untergegangen.<ref name="derstandard" /> Das Interesse an Kryonik, welches Disney im Roman hat, stammt weder aus realen Beweisen noch aus Jungks Fantasie: Zwei Disney-Biografien, „Disney's World“ von Leonard Mosley (1986) und Marc Eliots „Walt Disney. Genie im Zwielicht“ (1993 als ''Walt Disney – Hollywood's Dark Prince'') brachten das Gerücht in die Welt.<ref>David Mikkelson (19.10.1995). „Was Walt Disney Frozen?“. [https://www.snopes.com/fact-check/suspended-animation/ snopes.com]</ref> In Jungks Roman kombinierte er Mythos und Realität in einer besonderen Tragik: Disneys letzter Wunsch, eingefroren zu werden, wird ihm versagt, stattdessen wurde er sogar eingeäschert.<ref name="derstandard" />
Disneys Gegenspieler Wilhelm Dantine diente dazu, Disney die Vorwürfe zu machen, welche ihm auch Jungk machen würde, ihn aber auch gleichzeitig tief zu verehren. Der erfundene Dantine ähnelt in dieser Position Disneys realem Gegenspieler [[Art Babbitt]], der den [[Streik in den Disney-Studios 1941]] initiierte und in späteren Interviews gegen Disney sprach. Anders als das Werk Disneys seien diese Interviews, so Jungk, irgendwie untergegangen.<ref name="derstandard" /> Das Interesse an Kryonik, welches Disney im Roman hat, stammt weder aus realen Beweisen noch aus Jungks Fantasie: Zwei Disney-Biografien, „Disney's World“ von Leonard Mosley (1986) und Marc Eliots „Walt Disney. Genie im Zwielicht“ (1993 als ''Walt Disney – Hollywood's Dark Prince'') brachten das Gerücht in die Welt.<ref>David Mikkelson (19.10.1995). „Was Walt Disney Frozen?“. [https://www.snopes.com/fact-check/suspended-animation/ snopes.com]</ref> In Jungks Roman kombinierte er Mythos und Realität in einer besonderen Tragik: Disneys letzter Wunsch, eingefroren zu werden, wird ihm versagt, stattdessen wurde er sogar eingeäschert.<ref name="derstandard" />


Wilhelm Dantine, das lyrische Ich der fiktiven Disney-Biografie, wurde nach einem österreichischen lutherischen Theologen benannt, der Junks ehemaliger Lehrer gewesen ist, wie der Autor bei einer Podiumsdiskussion erklärte.<ref>Eva Jancak (11.02.2012). „Der König von Amerika“. [https://literaturgefluester.wordpress.com/2012/02/11/der-konig-von-amerika/ literaturgefluester.wordpress.com]</ref> Bis auf den Namen haben die beiden nichts gemeinsam: Der Buch-Dantine wurde 1936 in Wien geboren, der historische Dantine 1911 in Leoben. Der historische Dantine bekam von dieser Verewigung nichts mehr mit, er starb bereits 1981, zwanzig Jahre vor der Veröffentlichung des Buches.<ref>„Wilhelm Dantine“. [https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Dantine wikipedia.org]</ref> Er hat dieselben Initialen wie Walt Disney, was auch im Buch selbst angesprochen wird.<ref>Peter Thomas (27.11.2001). „Die Maus und der König: ein biografischer Roman über Walt Disney“. [https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-die-maus-und-der-koenig-ein-biografischer-roman-ueber-walt-disney-142005.html faz.net] ([https://web.archive.org/web/20230602061214/https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-die-maus-und-der-koenig-ein-biografischer-roman-ueber-walt-disney-142005.html archiviert])</ref>
Wilhelm Dantine, das lyrische Ich der fiktiven Disney-Biografie, wurde nach einem österreichischen lutherischen Theologen benannt, der Junks ehemaliger Lehrer gewesen ist, wie der Autor bei einer Podiumsdiskussion erklärte.<ref>Eva Jancak (11.02.2012). „Der König von Amerika“. [https://literaturgefluester.wordpress.com/2012/02/11/der-konig-von-amerika/ literaturgefluester.wordpress.com]</ref> Bis auf den Namen haben die beiden nichts gemeinsam: Der Buch-Dantine wurde 1936 in Wien geboren, der historische Dantine 1911 in Leoben. Der historische Dantine bekam von dieser Verewigung nichts mehr mit, er starb bereits 1981, zwanzig Jahre vor der Veröffentlichung des Buches.<ref>„Wilhelm Dantine“. [https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Dantine wikipedia.org]</ref> Er hat dieselben Initialen wie Walt Disney, was auch im Buch selbst angesprochen wird,<ref>Peter Thomas (27.11.2001). „Die Maus und der König: ein biografischer Roman über Walt Disney“. [https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-die-maus-und-der-koenig-ein-biografischer-roman-ueber-walt-disney-142005.html faz.net] ([https://web.archive.org/web/20230602061214/https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-die-maus-und-der-koenig-ein-biografischer-roman-ueber-walt-disney-142005.html archiviert])</ref> außerdem klingt sein Name fast wie der des Inferno-Chronisten Dante.<ref>Manuel Brug (23.01.2013). „Der kleingeistige Mann hinter Micky Maus“. [https://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/article113084841/Der-kleingeistige-Mann-hinter-Micky-Maus.html welt.de]</ref>


Disney selbst wird im Roman einerseits als äußerst reaktionär und autoritär, andererseits als einen Mann, der kein Blut sehen kann, unter Schlafstörungen leidet und leicht zu weinen beginnt, beschrieben. Die Feindseligkeiten Disneys Feindseligkeiten gegenüber Afroamerikanern, Linken und Juden, die Jungk im Roman zeigt, stammen aus Disneys Kindheitsstadt Marceline, in der es laut Jungks Besuchen keine solche Minderheiten gäbe.<ref name="derstandard" />
Disney selbst wird im Roman einerseits als äußerst reaktionär und autoritär, andererseits als einen Mann, der kein Blut sehen kann, unter Schlafstörungen leidet und leicht zu weinen beginnt, beschrieben. Die Feindseligkeiten Disneys Feindseligkeiten gegenüber Afroamerikanern, Linken und Juden, die Jungk im Roman zeigt, stammen aus Disneys Kindheitsstadt Marceline, in der es laut Jungks Besuchen keine solche Minderheiten gäbe.<ref name="derstandard" />
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Durch Jungks einleitende Anmerkung, dass die Romanfiguren und Ereignisse durchgehend Schöpfungen des Autors wären, kann er sich künstlerische Freiheiten nehmen bei der Beschreibung realer Begebenheiten. Dies hat verschiedene Vorteile, unter anderem ermöglicht es diese Methode, Szenen und Dialoge zu beschreiben, von denen nur wenig bekannt ist, außerdem konnte Jungk so reißerische Themen der umstrittenen Disney-Biografie „Walt Disney - Genie im Zwielicht“ von Marc Eliot verwenden.  
Durch Jungks einleitende Anmerkung, dass die Romanfiguren und Ereignisse durchgehend Schöpfungen des Autors wären, kann er sich künstlerische Freiheiten nehmen bei der Beschreibung realer Begebenheiten. Dies hat verschiedene Vorteile, unter anderem ermöglicht es diese Methode, Szenen und Dialoge zu beschreiben, von denen nur wenig bekannt ist, außerdem konnte Jungk so reißerische Themen der umstrittenen Disney-Biografie „Walt Disney - Genie im Zwielicht“ von Marc Eliot verwenden.  


Jungk stellte die Romanfigur Disney als rassistisch, antisemitisch und misogyn dar, außerdem mit Hazel George als Geliebte und mit einer fast schon sexuellen Obsession mit seiner Adoptivtochter Sharon Disney. [[Disney-Historiker]] [[Jim Korkis]] kritisierte, dass dies nicht dem realen Walt Disney und seinen Lebensumständen entsprach. Die 1966er Reise nach Marceline fand nicht statt. Auch zeige die Vermischung von Zwischenphasenzeichnern und der ''Ink and Paint''-Abteilung, dass sich der Autor nicht mit der Animationstechnik auskenne.<ref>[[Wade Sampson]] (16.12.2009). „Walt Disney: Horrible Theater“. [https://mouseplanet.com/walt-disney-horrible-theater/2771/ mouseplanet.com]</ref>
Jungk stellte die Romanfigur Disney als rassistisch, antisemitisch und misogyn dar, außerdem mit Hazel George als Geliebte und mit einer fast schon sexuellen Obsession mit seiner Adoptivtochter Sharon Disney. [[Disney-Historiker]] [[Jim Korkis]] kritisierte, dass dies nicht dem realen Walt Disney und seinen Lebensumständen entsprach. Die 1966er Reise nach Marceline fand nicht statt. Auch zeige die Vermischung von [[Zwischenphasenzeichner]]n und der ''Ink and Paint''-Abteilung, dass sich der Autor nicht mit der Animationstechnik auskenne.<ref>[[Wade Sampson]] (16.12.2009). „Walt Disney: Horrible Theater“. [https://mouseplanet.com/walt-disney-horrible-theater/2771/ mouseplanet.com]</ref>


=== Komitee für unamerikanische Umtriebe ===
=== Komitee für unamerikanische Umtriebe ===
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{{Zitat
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| ZIT = ...und in den Abertausend Comic-Heften sieht es nicht viel besser aus: Onkel Dagobert? Gustav Gans? Daniel Düsentrieb? Die drei Neffen? Pluto? Goofy? Weder von Ihnen gezeichnet, noch von Ihnen ausgedacht! Mit Ihrem Namen versehen, sonst nichts. Carl Barks, einer der Besten, hat alles geschaffen, was in den Heften geschieht. Und zeichnet brav weiter, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahrzehnt für Jahrzehnt! Jede Donald-und-die-drei-Neffen-plus-Dagobert-Duck-Geschichte, ob in Vikinger-Abenteuer verstrickt, hoch im Eismeer, oder auf der Jagd nach dem einzigen Einhorn auf Erden, tief im Süden Argentiniens, alles aus seinem Kopf geboren. Und kaum ein Mensch weiß von Carl Barks.
| ZIT = ...und in den Abertausend Comic-Heften sieht es nicht viel besser aus: Onkel Dagobert? Gustav Gans? Daniel Düsentrieb? Die drei Neffen? Pluto? Goofy? Weder von Ihnen gezeichnet, noch von Ihnen ausgedacht! Mit Ihrem Namen versehen, sonst nichts. Carl Barks, einer der Besten, hat alles geschaffen, was in den Heften geschieht. Und zeichnet brav weiter, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahrzehnt für Jahrzehnt! Jede Donald-und-die-drei-Neffen-plus-Dagobert-Duck-Geschichte, ob in Vikinger-Abenteuer verstrickt, hoch im Eismeer, oder auf der Jagd nach dem einzigen [[Einhorn]] auf Erden, tief im Süden Argentiniens, alles aus seinem Kopf geboren. Und kaum ein Mensch weiß von Carl Barks.
| PER = William Dantine
| PER = William Dantine
| QUE = Peter Stephan Jungk in „Der König von Amerika“
| QUE = Peter Stephan Jungk in „Der König von Amerika“
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Walt Disney hat laut eigenen Erzählungen ungefähr im Alter von sieben Jahren versehentlich eine Eule getötet.<ref>[[Jim Korkis]] (27.07.2011). „Walt Disney and the Owl“. [https://mouseplanet.com/walt-disney-and-the-owl/3373/ mouseplanet.com]</ref> In seinem Roman nutzt Jungk die Anekdote, um Disney und Dantine weiterhin zu beeinflussen: Disney lässt er auf ein Mädchen im Halloween-Kostüm als Eule verkleidet treffen, Dantine Jahre später auf eine Frau, bei der es sich möglicherweise um das damalige Mädchen handeln kann.  
Walt Disney hat laut eigenen Erzählungen ungefähr im Alter von sieben Jahren versehentlich eine Eule getötet.<ref>[[Jim Korkis]] (27.07.2011). „Walt Disney and the Owl“. [https://mouseplanet.com/walt-disney-and-the-owl/3373/ mouseplanet.com]</ref> In seinem Roman nutzt Jungk die Anekdote, um Disney und Dantine weiterhin zu beeinflussen: Disney lässt er auf ein Mädchen im Halloween-Kostüm als Eule verkleidet treffen, Dantine Jahre später auf eine Frau, bei der es sich möglicherweise um das damalige Mädchen handeln kann.  


Jungk lässt in Kapitel 8 des Buchs den berühmten Maler Andy Warhol das Krankenhaus besuchen, in dem Walt Disney liegt. In der Szene interagiert er mit Roy Disney und bespricht die Idee, Walt zu malen.<br/>In der Opern-Adaption trifft Andy Warhol auch tatsächlich auf Walt Disney selbst.<br/>Beide Szenen sind fiktiv.<ref>Lisa Abend (04.02.2013). „Mortal Mouse“. [https://time.com/archive/6643071/mortal-mouse/ time.com]</ref>
Jungk lässt in Kapitel 8 des Buchs den berühmten Maler Andy Warhol das Krankenhaus besuchen, in dem Walt Disney liegt. In der Szene interagiert er mit Roy Disney und bespricht die Idee, Walt zu malen. Die Szene sind fiktiv.<ref>Lisa Abend (04.02.2013). „Mortal Mouse“. [https://time.com/archive/6643071/mortal-mouse/ time.com]</ref>


Dass Walt Disney nach seiner Lungen-Operation ein Telegramm von John Wayne bekam, stammt aus Bob Thomas' Werk „Walt Disney. Die Original-Biographie“ (''Walt Disney: An American Original'', 1976).<ref>„Disney biography gives life to reports famed movie maker's body frozen“ in: Tri-City Herald vom 15. Dezember 1976, S. 17. „Tri-City Herald from Pasco, Washington • 17“. [https://www.newspapers.com/newspage/820270276/ newspapers.com]</ref>
Dass Walt Disney nach seiner Lungen-Operation ein Telegramm von John Wayne bekam, stammt aus Bob Thomas' Werk „Walt Disney. Die Original-Biographie“ (''Walt Disney: An American Original'', 1976).<ref>„Disney biography gives life to reports famed movie maker's body frozen“ in: Tri-City Herald vom 15. Dezember 1976, S. 17. „Tri-City Herald from Pasco, Washington • 17“. [https://www.newspapers.com/newspage/820270276/ newspapers.com]</ref>